Die göttliche
Weisheit (Sophia) selbst belehrt uns, daß Sie Allweisheit
sei und daß Sie keine Grenzen, außer die von Gott
selbst, und keinen geistigen Mittelpunkt außer Christus
(dem ewigen Gottmenschen) kennt. Als höchste Form (Receptaculum
aeternum) der absoluten (göttlichen) Wahrheit, ist
Sie die höchste Weisheit selbst, und dennoch ist
Sie Kreatur und deshalb nur denkbar in harmonischer Einheit mit
dem Glauben (im Sinne des mysterium magnum der "Offenbarung
des Göttlichen").
Das höchste Geheimnis der Sophia ist gerade Ihr eigener
Glauben an das Göttliche, welches der Sohn allein wissen
kann, und Ihre unbedingte Aufnahme des Gottmenschlichen in sich;
letzteres ist Ihre Macht, Ihr Dasein und Ihr Wesen selbst. Ohne
Vereinigung mit Gott durch Ihre Einheit mit Christus verwandelt
sich die höchste Weisheit (insoweit Sie eine bloß
sich selbst genügende natürliche Weisheit sein will)
unvermeidlich in ihren eigenen Gegenpol, in Selbstvergöttlichung
der Kreatur, in jene absolute "Sünde gegen den Heiligen
Geist", welche allein keine Verzeihung kennt und den geistigen
Tod bedeutet (d.h. "die satanischen Tiefen der letzten
Zeit" nach Solov'ëvs Ausdruck).
Jene Pseudo-Sophia, welche nicht an den Sohn glaubt und nicht
mit dem Gottmen-schen eine Einheit bildet, weiß auch nichts
vom wahren Vater und nimmt keinen Anteil an den Gnadengaben des
Heiligen Geistes. Sophia (die wahre) ist Wort des Wortes, das
Schöpfungswort des Logos-Schöpfers, das aeternum
"Fiat" sempiterni Filii. Sie ist zugleich creatio
und creatum, d.h. aeternum praecreatum. Sie
ist "Fiat" und factum. Sie ist - divina Sapientia
(Ipsa Veritas) in sapientia coeleste (vera) signata. Sie
ist das Bild (die Ikone) des Bildes (der Ikone) des Vaters, weil
Sie "imago et similitudo" des Sohnes-Logos ist,
und deshalb vorzugsweise das ewig- (und ideell-)menschliche Antlitz
des Himmels (seelisch), wie Christus das geistige Antlitz des
Göttlichen ist. Deshalb ist Sie, als das nach außen
klingende Wort des inneren, göttlichen Wortes, eine absolute
Einheit und eine absolute Vielheit zugleich, eine ewige, unwandelbare
Fülle des rein-geistigen und dadurch personalen, rein-qualitativen,
in der vollkommenen Liebe und Schönheit leuchtenden wahren
Seins. Die All-Einheit ist das Wesen der Sophia, und je mehr
das irdisch-menschliche Bewußtsein die besonderen, mannigfaltigen
Antlitze der Sophia in sich aufnimmt, desto mehr erkennt es die
absolute Universalität Ihres Antlitzes und Ihres Wesens.
Dann (auch in Ihren Abbildern) offenbart Sie sich als Eine
und Dieselbe Weisheit, als die ewige Königin
des einen und die selben Himmels, ob Sie mit dem griechischen
oder lateinischen Kreuze geschaut wird, ob Sie als"divina
Sapientia" oder "Zariza nebesnaja" angerufen
wird. Dann erst wird klar, daß Sophia Ihre himmlische Alleinheit
nur in der Universalität der empirischen Menschheit (auf
Erden) und in der Ökumenizität der einen, heiligen
apostolischen Kirche vollkommen widerspiegeln kann. So abbildet
sich stufenweise die mystische Alleinheit (welche die himmlische
Seele der irdischen Menschheit ist) in der Wesenseinheit der
verklärten Jenseitskirche (als geistige Einheit), in der
Lebenseinheit der universellen, irdischen Kirche (als innere
organische Einheit) und endlich in der Formeinheit der ökumenischen
Kirche (als empirische Einheit und sichtbares Gewand). Nur diese
empirische, formelle Einheit kann zerstört werden durch
den Strom der äußeren Weltgeschichte, die beiden höheren
Einheiten schützt wunderbar das Kreuz und der Kaduceus der
Sophia.
So ist Sophia der wahre und ewige Osten und der wahre und ewige
Westen und Sie scheint nur eine andere zu sein im Westen
und im Osten. Verschieden ist nur der psychologische Ausgangspunkt
und der Weg der Erkenntnis; verschieden war auch historisch die
Vorbereitung, die Vorschule der Sophia-Verehrung im Osten und
im Westen. Der Osten ging vom Anfang an den Weg von Oben nach
Unten, von der Erkenntnis des ewigen, außerpersönlichen,
überweltlichen zur Anschauung der irdischen Erscheinung
der Weisheit auf Erden. Die uralte Lehre der indischen Rischis
und Brahmanen von "Maha-atma" (und "oum")
und die Verehrung der halbsagenhaften "Königin
Maja" (der Mutter des Sakia-Muni) durch Buddhisten waren
die ersten nebelhaften Vorahnungen dieses Weges, die Verehrung
der ewigen Weisheit in der Person der jungfräulichen
Mutter Maria, zugleich mit der Anbetung des Kindes Jesu
durch die drei Weisen vom Morgenlande - war die Vollendung
dieses Weges.
Der Westen, von dem Weisheitsschatze der ägyptisch-hermetischen
Mysterien ausgehend, durchlebte eine vieltausendjährige
Vorschule der Erkenntnis der Alleinheitsweisheit und der Verehrung
Ihrer irdisch-sichtbaren Vertretung (Trägerschaft) in den
ägyptischen Isis-Mysterien und später in der altrömischen
Vesta-Verehrung. Deshalb wurde gerade hier ein geistiger, reiner
Kern gepflanzt für die später individuell-menschliche
(marianische) Verehrung der himmlischen Weisheit und Keuschheit.
Wenn im Osten der sophianische Aspekt der Verehrung der
Himmelskönigin die Oberhand behielt, so überwog im
Westen der marianische Aspekt.
Diese beiden Wege haben ihre Vorteile und ihre besonderen Gefahren.
Der marianische Weg bewahrt die individuell menschliche Seele
der hl. Jungfrau Maria (in der Seele der Menschheit) vor
der Auflösung in dem überirdischen, kosmischen (ewig-weiblichen)
Prinzip der Allheit. Dieser Weg kann aber zur einseitigen irdisch-seelischen
Fixierung der Verehrung der Königin des Allseienden führen,
zur Vermischung der überzeitlichen Erschaffung derselben
mit Ihrer zeitlichen Erscheinung innerhalb des empirisch-historischen
Prozesses (und zur Leugnung des vorzeitlichen Daseins der "Sapientia
divina" und der "Regina coeli") vor der Verklärung
und der Himmelfahrt der hl. Jungfrau Maria. Der sophianische
Weg führt zur tiefen Erkenntnis der himmlischen Mysterien
der Weisheit (Ihrer Alleinheit, Ihrer vorzeitlichen Präezistenz,
Ihrer providentiellen Wesenseinheit mit der Ecclesia), jedoch
öffnen sich gerade auf diesem Wege beim ersten Versuch einer
Trennung der Sophia von Ihrer alleinigen Trägerin und Inkarnation
(auf Erden), nämlich von der hl. Jungfrau Maria, "die
satanischen Tiefen" der falschen, der luziferisch-magischen
Pseudo-Weisheit, weil die Gefahr der Vermischung des Himmlischen
mit dem Kosmischen, des übernatürlichen Ewig-seelischen
(AVE) mit dem natürlichen und naturhaften, sexuellen)
Zeitlich-weiblichen (EVA) entsteht.
Deshalb kann nur eine harmonische Vereinigung beider Wege,
nur eine vollständige Einheit der Mariologie mit der Sophiologie
der Menschheit die volle Wahrheit geben. Nur die innere Vereinigung
des christlichen Ostens mit dem christlichen Westen im Namen
der himmlischen, ewigen Weisheit (Sophia), welche die
höchste Einheit von jeder Einheit, die Alleinheit selbst
ist, kann auch das letzte Geheimnis des Namens Maria lösen.
Hier gerade liegt die einzigartige, unvergleichliche Größe
des Vladimir Solov'ëv und seiner Sophia-Lehre, welche die
Verkündigung der inneren Einheit der östlichen Sophiologie
und der westlichen Mariologie ist. "Diese Anwendung
der Texte der mystischen Bücher über Hagia Sophia auf
die hl. Jungfrau, welche seit Urzeiten in der Liturgie sowohl
der lateinischen wie auch der griechischen Kirche stattfand,
bekam in unseren Tagen die kirchliche Lehrsanktion in der Bulle
von Pius IX. über die Unbefleckte Empfängnis der allerhl.
Jungfrau."
Diese harmonische Einheit der Sophiologie mit der Mariologie
ist auch das sichere Labarum des vollen Sieges der christlichen
Weisheit über alle jene außer- und antichristlichen
Lehren der falschen Sophia, welche immer den feindseligen
Ansturm der heidnisch-jüdischen Pseudo-Weisheit gegen das
Christentum bedeuten.
Die Sophia-Lehre von Pavel Florenskij bezeugt uns, wie tief (im
Vergleich zur alt-byzantinischen, bloß abstrakten Sophia-Auffassung)
in der neueren russischen Sophiologie die marianische Grundlage
der christlichen Weisheitslehre verstanden ist.
Der ehrwürdige russisch-orthodoxe Priester Pavel Florenskij
wurde nach Beendigung seiner Studien an der mathematisch-physikalischen
Fakultät der Moskauer Universität und der geistlichen
Akademie Professor der Geschichte der antiken Philosophie. Seine
Priesterweihe empfing er im Jahre 1911. Im Jahre 1914, also 14
Jahre nach Solov'ëvs Tode, erschien sein Hauptwerk "Der
Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit". Dieses Werk ist
das Bedeutendste von allem, was auf dem Gebiete der russischen
Mystik und Theologie, speziell der Sophiologie, nach Solov'ëv
entstanden ist. Pavel Florenskij vereinigt eine fundamentale
Gelehrsamkeit in der Theologie, Mystik, Kirchengeschichte und
Ikonographie mit umfassenden Kennt-nissen in der Mathematik,
Philologie, Archäologie und Philosophie; als Schriftsteller
besitzt er die Gaben der unbedingten Aufrichtigkeit und Originalität.
Auch wenn in einigen Fragen (filioque, Primat S. Petri) der
Standpunkt Florenskijs bis jetzt kaum genügend begründet
ist und deshalb nach der klassischen allseitigen Erörterung
dieser Fragen durch Solov'ëv kaum annehmbar erscheint, zumal
er in seinen bisher veröffentlichten Werken nirgends eine
prinzipielle Auseinandersetzung mit den Hauptwerken Solov'ëvs
bietet und überhaupt keine ausführliche Betrachtung
jener beiden Fragen unternimmt, so ist jedoch seine Betrachtung,
Formulierung und Begründung einer ganzen Reihe der fundamentalsten
Fragen des Christentums im Lichte der östlich-kirchlichen
Tradition (mit ihrer originellen, tief-esoterischen und visionär-kontemplativen
Weisheit) von allergrößter Bedeutung, sowohl für
die universelle Kirche Christi (im Westen und im Osten), wie
auch für das gesamte Reich der geistigen Kultur.
Hier nimmt ohne Zweifel das XI. Kapitel mit seiner allseitigen
Betrachtung der Sophia-Frage einen ersten Platz ein. Hochbedeutend
ist diese Betrachtung der Allweisheit im Lichte und im Sinne
der Weisheit, die aus tiefsten und verborgenen Urquellen der
Kirche Christi im Osten ausgeht. Florenskij bezeugt selbst, daß
seine Sophia-Lehre keineswegs nur seine persönliche Auffassung
sei, sondern daß dieselbe ihre Wurzeln in der Urtradition
der christlichen Weisheit hat. Er sucht seine gewaltige Konzeption
mit der Sophia-Lehre des hl. Athanasius von Alexandrien und mit
den mystischen visionären Auffassungen von der "himmlischen,
vorweltlichen Kirche" des charismatischen Urchristentums
genetisch zu verbinden. Der Hauptwert von Florenskijs
Werk liegt aber in dem Umstand, daß der Verfasser bei seiner
auf geistiger Erfahrung gestützten Auffassung von dem Wesen
der Kirche und in seiner Sophia-Lehre direkt aus der Urquelle
schöpft, wie fast kein eigentlicher Vertreter der russischen
Kirchlichkeit es vorher getan, - aus der Urquelle jener Weisheit,
welche ihren pneumatischen und taumaturgischen Mittelpunkt
im Osten, in dem sog. "Starzentum" (Starzestwo)
besitzt.
Jene kontemplativ-tätige Tradition (des "Starzentums"),
die immer mehr und mehr die Aufmerksamkeit im Westen weckt, stammt
sowohl innerlich, pneumatisch, wie auch äußerlich-empirisch
(historisch) aus den verborgenen Tiefen (in der Lehre und
in der Handlungsweise) der Urkirche, aus der Epoche der
Katakomben und des Wüsten-Einsiedlertums der ersten christlichen
Anachoreten des Ostens. Die neuen Lebensformen des russischen
Starzentums (im 19. Jahrhundert) verbinden sich mit den allerheiligsten
Namen der "Optina"- und der "Sarowska-Pustin"
("Wüste" d.h. Einsiedelei) und hauptsächlich
mit den Namen des hl. Amwrosij aus Optina und des Serafim
von Sarov. Rein theologisch betrachtet, kann man sagen, daß
diese beiden Mittelpunkte des "Starzentums" zugleich
die lebendigsten und die aktuellsten Urquellen der wundertätigen
Geistesträgerschaft sind, in den verklärtesten
und mächtigsten Formen derselben; der sichtbare Ausdruck
derselben ist die Taumatur-gie und die Pneumatosophie (mit der
Sophiologie). Pavel Florenskij berichtet in seinem Werk nur von
den Tatsachen, welche er entweder selbst als Augenzeuge erlebte,
oder die durch die Forschung festgestellt und kritisch nachgeprüft
wurden. Er, der eben selbst den Weg der geistigen Schülerschaft
bei dem weisen Starez Isidor vom "gethsemanischen
Skit" durchmachte, berichtet in Form einer mystisch-pneumatischen
Symbolik und einer kontemplativen Theologie die Grundprinzipien
der Pneumatosophie und der Sophiologie, indem er, seiner eigenen
klaren Zeugschaft gemäß, sowohl aus seiner eigenen
mystischen Erfahrung wie auch aus der Erfahrung seiner großen
und heiligen Meister spricht, jener Begnadeten, welche gerade
ihn gewürdigt haben, als berufener Interpret von einigen
wesentlichen arcana des "Starzentums", insbesondere
vom Sophia-arcanum, aufzutreten.
In bezug auf seinen allgemeinen religiösen Weg und seine
theologisch-kirchliche Weltanschauung gehört Pavel Florenskij
im engen Sinne nicht zur Richtung des Solov'ëv, sondern
zur Richtung des Serapion Maschkin; nichtsdestoweniger
ist bei ihm in einigen wesentlichen Fragen sowohl die äußere
Berührung wie auch der innere Zusammenklang mit der Lehre
des viel westlicher orientierten Solov'ëv bedeutsam. Das
Werk "Der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit"
ist durchdrun-gen vom Lichte einer erhabenen Intuition des absoluten
Wertes des kirchlichen Esoterismus , welcher die geistige Wurzel
und ewiges Urbild jeder wahren Religion und jeder vergeistigten
Kirchlichkeit war und ist.
Versuchen wir jetzt die Frage zu stellen, inwieweit innerhalb
der westlichen Mariologie die Grundideen der wahren Sophiologie
schon enthalten sind, wenn auch unter anderen Namen. Wenn wir
also die ersten Bergketten und Festungsli-nien des sog. "offiziellen"
Katholizismus, der "Ecclesia militans" im Geiste
überschrei-ten und in das ewig-grünende Tal der "Ecclesia
erans" demutsvoll eintreten, so werden wir sofort das
geheimnisvolle Gefühl erleben, daß wir uns zugleich
diesseits und jenseits des Erdenreiches befinden, daß wir
aber von der Erdenschwere befreit sind, und daß uns hier
alle Jahrhunderte der christlichen Weltgeschichte gleichzeitig
umschweben. Das ewige Lied wird uns hier vernehmbar, und jenes
Lied ist "Ave", welches zugleich durch
alle irdischen und himmlischen Stimmen gesungen wird.
Die westliche Mariologie, deren hehres Weisheits-Zentrum die
"Lauretanische Litanei" und deren Peripherie
die marianische Kunst (ars sacra der sog. "Mariani-schen
Sequenzen des Mittelalters", der visionären Mitteilungen
und der Ikonogra-phie) ist, stellt den kostbarsten Weisheits-
und Schönheitsschatz des Katholizismus dar. Wir geben hier
nur wenige Hinweise, um zu zeigen, daß in dieser Mariologie
fast alle Grundprinzipien der Sophiologie enthalten sind. Betrachten
wir zunächst die "Lauretanische Litanei" mit
ihren tiefsinnigen Anrufungen, welche auf alle mysteria et
arcana der himmlischen Weisheit hinweisen und in eine vollendete
Form der kirchlichen Latinitas (mit jenem Lakonismus, welcher
niemals ein bloßer Euphemismus war) geprägt sind.
Sind nicht alle Anrufungen der "Lauretanischen Litanei"
deutliche Formulierungen aller jener Geheimnisse der Weisheit,
welche vice versa auch die Fragen der östlichen Sophiologie
bilden? Die Reihenfolge dieser Anrufungen enthält eine bestimmte
Steigerungsskala, von der Anschauung des irdisch-menschlichen
Aspektes der Gottesmutter an bis zur Anschauung Ihrer ewig-himmlischen
Herrlichkeit. Zunächst ist Sie als "Sancta Maria",
als "Genitrix Die" und "Virgo virginum"
angerufen, d.h. als incarnata, als die hl. Jungfrau
von Nazareth (im Aspekte Ihrer individuell-menschlichen Seele),
welche sich als "virgo immaculata" auf Erden
verkörperte und zur jungfräulichen "Genitrix"
(Gebärerin) des Menschensohnes Jesu wurde. In den folgenden
elf Anrufungen mit "Mater" liegt der Sinn einer
absichtlichen Erhöhung der Würde der Gottesmutter,
weil in solchen esoterischen Weisheits-Urkunden (wie der "Lauretanischen
Litanei") jedes Wort einen absoluten Wert und Sinn hat und
jede Tautologie ausgeschlossen ist. Alle folgenden Anrufungen
mit "Mater" bilden einen immer aufsteigenden
Übergang (crescendo) zur Anschauung der himmlischen
Weisheit (Sapientia) selbst in der menschlich-seelischen,
verklärten Trägerin derselben. Diese Anrufungen enden
mit zwei neuen Epiteta der mütterlichen Würde der Gottesmutter
und wiederum mit erhöhter Bedeutung "Mater Christi"
wird jetzt zur "Mater Creatoris" und "Mater
Salvatoris", d.h. zur Mutter des Gottmenschen sub
specie aeternitatis. In den folgenden sechs Anrufungen mit
dem von neuem erklingenden "Virgo" überragt
die Anschauung der Jenseits-Würde der Gottesmutter Ihren
bloß menschlichen Aspekt, und hier wird das mystische,
vorzeitliche Wesen der Jungfräulichkeit (im ontologischen
Sinne) als die Form der Allweisheit hervorgehoben, speziell in
den Namen: "Virgo prudentissima, veneranda, potens."
Weiter folgt noch eine Reihe von Epiteta, welche klar andeuten,
daß "Virgo Maria" als die Trägerin
und der Sitz (sedes), d.h. die Vertreterin einer höheren,
alles Menschliche überragenden Würde, verherrlicht
wird (wenn auch in vollkommener Einheit mit Ihrer in dividuellen
Seele). Sie offenbart sich als "speculum, sedes, rosa,
vas, domus, janua" usw. der Prinzipien, Tugenden und
Würden, deren Einheit die Allweisheit ist, und Sie
bekommt zugleich persönliche und überpersönliche
Bedeutung (im Sinne der realiora). Sie erscheint als ein
Abbild (Speculum, Sedes) und schließlich als die Alleinheit
(Rosa) selbst.
Die in der Mitte der ganzen Litanei stehende Anrufung "Sedes
sapientiae" ist auch der innere Mittelpunkt derselben.
Das ist eine klare Andeutung auf die sophianische Würde
der Gottesmutter; hier verwandelt sich die eigentliche "Mariologie"
in die "Sophiologie", und alle anderen
weiteren Anrufungen, welche, immer aufsteigend, mit der Anrufung
"Stella matutina" (was auf die urkreatürliche
Herrlichkeit der Weisheit hindeutet) ihren Höhepunkt erreichen,
sind nur eine Entfaltung dieser Steigerung. Dann aber beginnt
wiederum eine stufenweise, rhythmische Rückkehr zum Irdischen
und Menschlichen, jedoch - mit voller Erkenntnis der überirdischen
und übermenschlichen Macht und Würde der "Virgo
potens" und der "Rosa mystica". Jetzt
wird die Gottesmutter als "Salus, Auxilium, Consolatrix"
und zugleich als "Regina", d.h. als die
allmächtige Königin aller jener angerufen, die leiden,
hoffen, beten, streiten und siegen in Ihrem Namen.
Bei Zusammenfassung alles hier Gesagten möchten wir betonen,
daß die "Lauretani-sche Litanei" das Lied der
Erfüllung der prophetischen Worte der Gottesmutter selbst
(des "Magnificat") ist, das Hohelied des Neuen Bundes,
das ewige Lied der Verklärung, der Wiedergeburt und der
Verherrlichung, und daß kein menschliches Lied ihm gleichkommt.
Hier ist der Wundergang der Himmelfahrt der Gottesmutter besungen.
Die Gottesmutter steigt hier vor unserem Blick als Virgo
Maria auf, Sie verklärt sich als Mater admirabilis
und Virgo potens. Sie verwandelt sich (ohne jedoch
Ihr individuelles Wesen, Ihr " " in dem " "
des Himmelreiches aufzulösen) in das Abbild (Speculum,
Sedes) der Weisheit und in die ideelle Form (Vas) des
Göttlichen... noch ein Schritt, und Sie wird mit der Alleinheit
des Himmels Eins, Sie wird zur ROSA MYSTICA (als bewegliche
Einheit des Engelreiches), zur Turris eburnea (als unbefleckte
und reine, alle Farben, Stufen und Reiche des erlösten Seins
in sich beschließende Macht und vom Erdenreich aus bis
zum Himmel ragender Turm der Einheit), zur Janua coeli (als
die Hüterin der Schwelle des Himmelreiches), zur Domus
aurea (als der ewige Weisheitspalast der himmlischen Mysterien),
zur Stella matutina (als das Licht des göttlichen
"Fiat", als der Morgenstern der Schöpfung (praecreatumra)
und die Allweisheit selbst. So prägt Sie Ihre
marianischen Züge dem Antlitze der himmlischen Weisheit
(Sapientia, Sophia) auf und nach Ihrer Verherrlichung
steigt Sie wieder zu uns als Regina, d.h. als triumphierende,
siegreiche "Ecclesia sanctorum" nieder. Im Reiche der
ewigen Weisheit thronend, tritt Sie zugleich in die Zeit, um
das Erlösungswerk Christi zu vollenden, als Königin,
Mutter und Fürsprecherin der ganzen Menschheit. Dann erklingt
das Dankgebet aller Getreuen: "0 Domina mea, o Mater mea!
Tibi me totum offero, atque ut me tibi probem devotum, consecro
tibi hodie oculos meos, aures meos, os meum, cor meum, plane
me totem. Quoniam itaque tuus sum, o bona Mater, serva me, defende
me ut rem ac possessionem tuam!"
Diese weißen Strahlen der "Lauretanischen Litanei"
gleichwie die der "Rosa Mystica" widerspiegeln sich
in den unzähligen Anrufungen, Epiteta und Verherrlichungen
der "marianischen Sequenzen", wie in der Farbenpracht
der gotischen Fenster.
Es wäre schwer, alle diese Definitionen, deren tiefe, esoterische
Bedeutung unleugbar scheint, für eine bloße allegorische
und hyperbolische Frömmigkeit zu halten, oder dieselbe nur
auf die menschlich-individuelle Seele und irdisch-zeitliche Erscheinung
der Gottesmutter anzuwenden. Jeder Versuch, alle diese Definitionen
als Etwas, was zuerst nur nach der Himmelfahrt der hl. Jungfrau
zu bestehen anfing, aufzufassen, muß scheitern. Der majestätische
Jubelruf "TU REGNA CUM DEO" kann doch nicht
einen bloß zeitlichen Sinn haben und nur an "Joachims
Tochter" als solche gerichtet sein? Oder die Jubelrufe:
Gaude flore virginali
Et honore specali
Transcendisti omnia ... ?
Gaude, per
quam chorum
Sublimatur angelorum
Natura morialium!
Ave coeli
domina,
Quae transcendis agmina
Coelestis militiae.
und endlich:
Gaude, quia magi dona
Tuo nato ferunt bona
Cum magno mysterio!
SIE SELBST IST
"MYSTERIUM MAGNUM" DER ALLEINHEIT.
Im Lichte dieser
marianischen Sequenzen des Mittelalters wird das ganze grandiose
Reich der marianischen ars sacra und scientia sacra
des westlichen apostolischen Christentums als ein unermeßlicher
Schatz der Weisheit (Sapientia) erstrahlen. So wird z.B. der
Schluß des Danteschen "Paradiso" und speziell
der letzte 33. Gesang (mit dem Gebet des hl. Bernhard)
ganz anders für unser geistiges Ohr erklingen. Dasselbe
kann man auch sagen über die marianische Malerei bis auf
die Spät-Renaissance oder über die spätere wahre
Kunst der berühmten "Beuroner".
Noch mehr: alle visionären Darstellungen (der westlichen
Mystiker, vom hl. Bernhard und den Viktorinern an bis auf die
sel. Maria d'Agreda und die sel. Anna Katharina Emmerich) des
Himmelreiches (als die der civitas Dei des Neuen Jerusalem, oder
der Jenseits-Kirche) haben immer, wenn sie im Lichte der Weisheit
geschaut werden, ein himmlisch-marianisches (d.h. sophianisches)
Gepräge. Deshalb sind sie alle den sophianischen Visionen
der östlichen Seher wesentlich verwandt. Sie sind nicht
weniger verwandt auch mit jenen wesentlichen Lehren und Weisheitsüberlieferungen,
welche, von den reinen Urquellen der urchristlichen Sapientia
ausgehend, nur einen anderen Aspekt des universell-kirchlichen
Christentums bilden und mit den Namen des "christlichen
Hermetismus" (zum Unterschied von dem sog. Okkultismus,
der die hermetische Terminologie nur als Verhüllung des
kaballistischen Inhalts benutzt) und "der Lehre des geistlichen
Rittertums" (oder "der Weisheitstradition des
hl. GRAL) bezeichnet werden können.
Alle diese Richtungen des westlichen Christentums beruhen
gleicherweise auf einer tiefen, demutsvollen und keuschen Verehrung
der ewigen Sapientia als der Himmelskönigin und der Jungfrau
Maria, als Ihrer allein-wahren irdischen Erscheinung und Trägerin.
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zu florenskijs "sophia"
|
Lew Kobilinski-Ellis,
Nachwort des Übersetzers (Nachwort zu Pavel Florenskij,
Sophia. Aus dem XI. Kapitel des Werkes "Der Pfeiler und
die Grundfeste der Wahrheit"), in: Christi Reich im Osten.
Die geistige Bedeutung Vladimir Solov'ëvs und die inneren
Voraussetzungen zur Wiedervereinigung der Russisch-orthodoxen
und der Römisch-katholischen Kirche [= Ähren aus der
Garbe. Kleines Jahrbuch des Matthias Grünwald Verlags für
das Jahr 1926], Mainz 1926, S. 118-129. Der Text wurde mit Teilen
aus den "Vorbemerkungen des Übersetzers" zu Florenskijs
"Sophia" ergänzt und redaktionell überarbeitet.
Hier, in dieser Lehre über die mystische Einheit der Sophia
mit Christus als dem ewigen Gottmenschen, liegt die einzigartige
Tiefe und Originalität der Sophia-Lehre des Vladimir Solov'ëv.
Pavel Florenskij nimmt nicht dessen Konzeption von dem ewigen
Gottmenschen und der himmlischen Gottmenschheit an. Das ist die
negative Seite seiner eigenen Konzeption.
Vladimir Solov'ëv, Rußland und die universale Kirche,
hg. von W. Setschkareff und Ludolf Mül-ler, [Deutsche Gesamtausgabe
der Werke, Bd. 3], Freiburg 1954, S. . Es liegt auch ein tiefer
Sinn in dem marianischen Gedicht des Solov'ëv "Das
Zeichen", worin er "den Höllenblitz"
aller gegenwärtigen und noch kommenden feindlichen Anstürme
gegen "den Tempel" der Kirche prophezeite und welches
er mit den Worten "Ja, Eins, urewig Eins" begann und
mit dem Siegeslied schloß: "Doch ist Ein Zeichen noch,
das nie vergeht im Scheine,/ Das zwischen Himmelreich und Erde
ewig wacht,/ Jungfrau von Nazareth, die heilige, die reine,/
Der Drache unter Ihr, voll Bos-heit, ohne Macht."
Die authentische, in jeder Beziehung kompetente und ausführliche
Darstellung des Wesens und der Geschichte des "Starzentums"
geben die Schriften von W. Ilijn. Vgl. seine Lebensbeschreibung
des Serafim von Sarov, die Abhandlung "Die Bedeutung des
russischen Starzentums" und der Aufsatz "Das Wesen
der russischen Frömmigkeit" im russischen Sonderheft
des ,,Gral".
Vgl. z.B. die feinsinnige Abhandlung des Benediktinerpaters K.
Weber in der "Benediktinischen Monatsschrift": "Die
Russen und wir".
Über den Esoterismus innerhalb der christlichen Kirche sagt
Florenskij die bedeutsamen, tiefen Worte: "außer dem
kirchlichen Exoterismus gibt es eine Art kirchlichen Esoterismus
- gibt es Ahnungen, von denen man nicht allzu offen reden soll."
Die Warnung dieser Worte des russischen Priesters bilden im Vorübergehen
einen harmonischen Zusammenklang mit den Worten des Benediktinerpaters
Odo Gasel bei seiner Darstellung der christlichen Mysterienlehre
in Verbin-dung mit den vorchristlichen "Mysterien"
(im Sinne "der Vorschule Christi") in "Die
Liturgie als Mysterienfeier", einer in jeder Beziehung
bemerkens-werten Forschung. Pavel Florenskij berichtet uns über
die Mysterien der Urkirche, wie folgt: "Es ist ohne Zweifel,
daß das Urchristentum durch ein tiefes Geheimnis geschützt
wurde und, in bezug auf seine äußere Lage, auch den
Mysterien ähnlich war. Das Sakrament der Taufe, der
letzten Ölung, der Handauflegung und der Eucharistie, die
Liturgie, die Lehre über die heilige Trinität, das
Glaubenssymbolum und das Gebet des Herrn - diese acht Mysterien
wurden nur den Eingeweihten überliefert und deshalb
existierten viele Ausdrücke, welche die Regel des Schweigens
bezeichneten, in bezug auf diese Mysterien nämlich: etc.
(occultatio, reticentia sacrorum, gilentium sacrum, arcanum etc.)
[Bei Gasel: "die Kirche ist ein wahrer Mysterienbund."
(S. 9) "Das Wort ,Mysterion', sprachlich noch nicht sicher
geklärt, bezeichnet einen Geheimkult." (S. 13) "Das
neue Leben, das sie (die Mysterien) bringen, ist jedenfalls zunächst
ein rein religiöses." (S. 18) "Sie geben keine
wissen-schaftliche Theologie ... zu schauen gilt es." (S.
18) "Das mystische Schweigen im ältesten und ursprünglichsten
Sinne heftet sich an das Schweigegebot der Mysterien." (S.
135) "Allmählich entwickelte sich eine Art Arkandisziplin
auch für die Gläubigen, indem die heiligsten Teile
des Gottesdienstes für sie mit einem mystischen Schleier
verdeckt wurden... Im Offizium bestehen heute noch Reste der
alten Arkandisziplin." (S. 140) "Nicht Belehrung des
Verstandes und Erzie-hung des Willens ist das, was die Mysterien
zunächst erstreben, sondern ein innerliches Erfahren des
göttlichen, übernatürlichen Lebens." (S.
144)] - und endlich die (im 18. Jahrhundert durch G. T. Geier
erfundene) Benennung: disciplina arcani. Die strenge Bewahrung
des Geheimnisses, welche durch eine ganze Reihe von Zeugnissen
bestätigt wird, war jedoch keineswegs eine bloß freiwillige
Bescheidenheit. Nein! Die Regel der Kirche forderte von den d.h.
von den in die Mysterien der Kirche Eingeweihten das strengste
Schweigen, und man sah sogar in dessen Fehlen einen charakteristischen
Zug der häretischen Komplotte. Auf dem Boden dieser Regeln
erwuchs und erblühte die symbolische Sprache des Altchristentums,
welche der sel. Theodoret (im 5. Jahrhundert) , ' nannte."
"Die Bedeutung dieses Altchristentums (disciplina arcani)
unterstrich Graf A. Uwarow in seiner ,Christlichen Symbolik'.
Doch neben diesem äußerli-chen (sozusagen groben)
Esoterismus der Kirche besteht in ihr auch noch ein viel feinerer
Esote-rismus. Hier liegt das Geheimnisvolle des Kirchenlebens
für einen jeden, der in dasselbe nicht eingeweiht ist, d.h.
das Bestehen einer besonderen Organisierung der Seele, ohne welche
nichts (innerhalb der Kirche) richtig wahrgenommen und verstanden
werden kann, und welche nur durch die Kette der lebendigen
Überlieferung mitgeteilt werden kann. In diesem Sinne
kann man sprechen von einer gewissen Analogie zwischen dem Kirchenleben
und den alten Mysterien, wo auch ein neues, ganz besonderes Welt-
und ein neues Selbstbewußtsein gegeben wurden."
Ja, Festungen, denn wie würde es jetzt sein, wenn auch hier
keine sicheren Festungen gegen die "Pforte der Hölle"
erbaut wären? Wenn man gewöhnlich den ganzen Katholizismus
als eine Fe-stung auffaßt, so vergißt man oft, daß
die andere Seite des Katholizismus nicht eher sichtbar wird,
als wenn man an sie glaubt und sie mit voller Kraft der Liebe
anruft. Das ist die "Ecclesia orans" im breitesten
Sinne des Wortes: alles, was man "die Mystik", die
"ars sacra" und "die Liturgie"
nennt - ein unermeßliches Jenseitsreich auf Erden,
welches ohne Festungen der "Ecclesia militans" gewiß
längst zu einem Mythos geworden wäre. Einige
Kritiker des Katholizismus beachten nicht genug, daß die
sog. "Theologie", die Mystik und die Liturgie eine
organische Drei-Einheit bilden, gleich wie das Rückgrat,
der Blutumlauf und das Atmen eines Lebewesens. Der geistige Kristallisa-tionsprozeß
ist ohne die Lebensbewegungsprozesse undenkbar, wie auch umgekehrt.
Wenn jetzt im Westen dieser erste Prozeß zu weit gegangen
ist, so geschah im Osten das Umgekehrte, und das Gleichgewicht
innerhalb der beiden Reiche des Christentums kann nur durch die
innere Kirchenvereinigung hergestellt werden. Die oft gerechte
Opposition gegen den kirchlichen Aristotelismus kann keineswegs
den geistig-inneren Kern der Scholastik treffen, weil dieser
Kern (revelatio fidei) auch andere Formen (explicatio
fidei) finden kann. Die platonische, die aristotelische,
die tran-szendental-spekulative Form (bei Solov'ëv) der
christlichen unwandelbaren Glaubens- und Weis-heitslehre kann
auch durch noch andere Formen harmonisch bereichert werden, z.B.
durch die Form des christlichen Hermetismus, oder durch die verchristlichte
Form der Runen-Weisheit.
Der Name "Maria" bedeutet "die in das Meer
(mare) des kosmisch-irdischen Lebens (in das ,Elementenmeer')
heruntergestiegene himmlische All-Seele". Deshalb wird die
verklärte und zum Himmel emporgestiegene Gottesmutter "Stella
maris" (und "Stella matutina") genannt.
Diese allerhöchste Herrlichkeit der Gottesmutter, die sich
in die Allweisheit selbst verwandelt und sich zugleich als Königin
des Alls (und als "Ecclesia triumphans") zum
Irdischen neigt, prägte Solov'ëv in der folgenden Strophe:
"Jetzt steigt hernieder vom Himmel die wahre,/ Ewige Frau
zu der irdischen Nacht,/ Die Unverwesliche, Unwandelbare,/ Tiefe
und Höh' eint in Ihr Gottes Macht."
Hier liegt vielleicht der Grund, weshalb die westliche Kirche
gewöhnlich nur einen Ihrer Namen (Maria) gebraucht,
wenn sie von dem Himmlisch-Marianischen (Mater gloriosa, Regina
coeli etc.) spricht.
Wir geben hier einige aus denselben. Die himmlische Weisheitswürde
der Gottesmutter als die der ewigen AVE (der Mutter und
der großen Seele des himmlischen Reiches) im Unterschied
zur EVA (der Mutter des kosmisch-irdischen Lebens), Ihre
Herrlichkeit als die der Urschöpfung und Ihre Macht über
alle Kreaturen werden hier mannigfaltig gepriesen. Sie wird genannt:
Templum sancti Spiritus; sponsa cara Dei; nobile triclinium
totius Trinitatis; coeli Domina; regina; mater gloriosa, sceptrum;
mater Deo digna; sidus saeculorum; porta paradisi; regina virginitatis;
theoto-kos sacrosancta; aurora solis; stella solis pariens; lumen
indeficiens; paradisus coelestis; rosa mundi; imperatrix angelorum;
SIGNUM IMMORTALITATIS; effecta pneumatis mysterio; rosa Dei;
thronus gratiae; coeli lingua; arbor vitae, decus ac gloria mundi;
angelorum gloria und endlich (o mysterium tremendum!) - DEITATIS
SPECULUM und TRINITATIS SPECULUM. In diesem Sinne
wird sie auch wörtlich "Sophia" genannt
und in nächster Nähe zum Hl. Geist (Paraclitus)
gebracht: De superna Hierarchia Vera descendit Sophia...
oder Tu nos vislta cum pia Christi luce in haec via Ut
edocti CUM SOPHIA Regnemus in hierarchia Tecum conviventium.
Eine besondere Bedeutung hat Sie als ewige, allerleuchtende
Weisheit: stella maris, super omnes ordinaris ordinines coelestium:
in suprema sita poli; lux in coeli palatio; sol mirae fulgentiae;
stella fulgida; mater luminis; LUMEN LUMINUM; stellarum claritudo;
splendor ordinum coelestis militiae; praeclara und endlich
LUX ECCLESIAE. Als ewiges (vorzeitliches) Receptakulum
des Hl. Geistes ist Sie die höchste Stufe der Seligkeit
und der himmlischen Freude: PRINCIPIUM LAETITIAE; rosa suavissima;
virgo beatissima; laeta; serenissima; clara coeli gemma; felicissima;
gaudiosa, weil: ipsa laetatur, quod coeli jam conspicatur
principem und ist mundi gaudium.
Die vorzeitliche Präexistenz der Gottesmutter und Ihre
symbolische (prophetische) Vorbildung in den Mysterien und Urkunden
der vorchristlichen Weisheit ist auch klar bezeugt: ab aeterno
ordinata, in figuris praesignata, in scripturis prophetata praeludio
sub mystico; o virgo, floridi--tatem tuam Deus in prima die creaturae
suae praeviderat; archa Noë; stella Jacob; manna; vellus
Gedeonis und deshalb: ave veri Salomonis mater und:
Tu thronus es Salomonis, cui nullus par in thronis arte vel
materia und Simonis navicula. Sie ist: ab aeterno
vas provisum, vas insigne, vas excisum manu SAPIENTIAE und
in diesem Sinne: Prophetarum illustratrix und suscitatrix
mortuo-rum, d.h. die übernatürliche Weisheit, der
Weg der Erweckung und der Wiedergeburt. (Siehe "Lateinische
Sequenzen des Mittelalters", hg. von J. Kehrein, Mainz 1873).
Vgl. Dante Alighieri, La Divina Commedia. Paradiso, das Ende
des 23. Gesanges, die Gesänge 30, 31, 32 ganz und speziell
der 33. Gesang. Das Gebet des "Doctor Marianus"
beginnt mit der Anru-fung: "Vergine Madre, figlia del
tuo Figlio!", was wörtlich: ,,Jesu Christi generosa
Mater atque Filia!" wiedergibt. Die zentrale Bedeutung hat
der Ausdruck: "Termine fisso d'eterno consiglio", weil
er durchaus sapiential ist. Um die allerheiligste Trinität
von Angesicht zu Angesicht zu schauen, braucht der menschliche
Geist benevolentia und auxillum der himmlischen
Weisheit selbst.
Auf dem Gebiet der mehr spekulativen Mystik und Theologie (im
Westen) finden wir auch eine fortwährende Vertiefung in
das Prinzip der Alleinheit. Vom hl. Athanasius ausgehend,
erreicht die mystische Intuition des in den Werken des größten
aller westlichen Mystiker, des Ruysbroeck Admirabilis eine
Dimension des Grandiosen.
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der pfeiler und die grundfeste
der wahrheit
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