annett gröschner / tina baraherzdame knochensammlergedichte / fotografie |
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96 Seiten /
Format 240 x 290 mm Vorzugsausgabe
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Was Liebe noch sagen soll... was Liebe noch sagen soll: das ist ein Thema ihres Gedichtbandes "Herzdame Knochensammler" (gemeinsam mit Tina Bara). Selten schön und seltsam ergreifend erzählen Annett Gröschners Gedichte von der unveränderlich unendlichen Liebe, von lebensgefährlicher Krankheit und Tod, von Freundschaft und Intimität, von Historie und Einsamkeit. Die Umtriebenheit disharmonischer Einfallsschübe unterbricht immer wieder ein lyrisches Sprechen, das sich introvertiert von der Welt abgrenzen will und doch von ihr, natürlich, in die Pflicht genommen wird. "Was uns verbindet was trennt uns", heißt es, und "eine Naht die sich auflöst wie Schwüre die platzen", wenn von der enttäuschten Nähe zu Männern, zu Freundinnen, von Hoffnungen die Rede ist. So korrespondiert auf der Sprach- und auf der Empfindungsebene die Liebe als "Verwundung", ein "schwarzes Segel", das vom Ich gesetzt wird: "Da-stehn / wir beide / bloß da. Kein Mantel von Täuschung / s flattert zerrissen im Wind deines Worts / meine Haut"; Sprachnarben "am Herzglas"; der "Mund umschließt deine Wunden". Da gibt es ein Kind, eine feste "Bürde", den "Spagat mit zerrissenen Sehnen" zwischen Kunst und Muttersein, die Toten einer lastenden Vergangenheit und die ausgelöschte "Heimat". Annett Gröschners Weg zu den Toten hat mehr als einen Beginn. Einen erzählt sie aus der Vergeblichkeit einer Liebe, die alles abverlangt, bei der sie hoffte auszuruhen und die sie ruhelos machte: in eine Katze verwandelte: "Ich probe die Krallen / Ich verwüste die Landschaft / Ich schaue vom obersten Rand in den Abgrund". Alles ist wund in diesem Gedicht, das sich nach Heilung sehnt "Zwischen Frau und Mann" und doch nur einen "Raum / Von Töten und Lieben" erkennt, in dem sich nichts fügt. Annett Gröschners Texte sind eine Spurensuche, Spuren, die außerhalb des eigenen Sprechens liegen und doch gerade dorthinein drängen. Die Erde, auf der wir lieben und hassen, hat längst alle Unschuld verloren und verschafft sich Gehör bei dem, der in ihr gräbt. Dem nimmt sie dann jeden Mantel von Täuschung und zeigt: "wie häßlich sind wir ohne Hülle / klein und gemein und lieb-los". Dieses Suchen und Graben, Fahnden nach Wahrheiten, die nicht auf der Hand liegen und dem ersten Blick sich nicht erschließen, zieht sich durch viele von Annett Gröschners Texten. Geschichtlicher Verlust und Gewinn bilden bei ihr, der suchenden "Madame Wurzellos", unterm Strich keine simple Plus-Minus-Rechnung. Hier wird die Ortlosigkeit eines Ichs mit kantenscharfen, eben treffsicheren Worten ins Bild geholt, ein Ich, das im neuen "Germania" zum Überleben aufgerufen ist: "das bin ich / mit doppelt verbogenem Rückgrat / nun schwimm". Hart klingt das, aber wahrhaftig. Unvergessen sind dabei die nicht gelebten Träume vom "Sprung von der Seite ins Becken" sozialistischer Regeln. Ihr Ich richtet sich nur scheinbar an der Oberfläche ein, "ohne gewißheit auf zukunft / was ist ist jetzt. morgen so weit wie gestern zu heute". Die andere Seite der Wahrheit ist ein Subjekt, "beschrieben übermalt begraben / wie ich" - eine der Metaphern für die Verwerfungen und Verformungen von Geschichte, wie es sicherer nicht gefunden werden kann. So wird, ganz en passant, Individuelles ins Allgemeine transformiert. Zerschundene Häuser und müde Straßen; eine Natur, die ihr Gesicht verloren hat, Bäume und Flüsse, denen ein Gefühl erst wieder abgewonnen werden muß. Ohne das ist nicht zu leben. Bilder einer Dichterin, die überall wohnen könnte; deren Orte aber zwischen dem Prenzlauer Berg und Paris zu finden sind. "Arkadien ist eine Wüste geworden", eine Wüste, die aus Geschichte und ihrer Vergänglichkeit gemacht ist, sie ist entstanden, ist nicht Ausgang und Ende, sondern Gegenwart und Zukunft. Menschen tun sich dort Leid an, sie greifen in das eigene Innerste und das anderer, sie haben verlernt die Zerstörungen, die sie dabei anrichten, absichtsvoll und ohne Absicht, wahrzunehmen - und nur widerspenstig wollen sie von ihnen reden hören. Annett Gröschner ist eine Dichterin, die davon redet, begabt zur Gnade und verflucht zu Unerbittlichkeit. Was Dingen und Menschen widerfährt, widerfährt ihr. Sie nimmt die Last an in freier Wahl. Aus ihr erlebt sie Freude und Liebe, von denen sie nicht weniger spricht als von den nicht enden wollenden Verletzungen. So wird in dem
Gedicht "das verschwundene haus" eine Geschichte erzählt.
Es ist die Geschichte von einer Art im Leben zu sein: "ich
habe die uhren zurückgedreht / kalender jahr um jahr zerrissen
- / das grundstück suchte steine zusammen / sammelte balken
aus asche und rauch / & baute das haus vor mir auf".
Mit einem Mal sind wir im Prenzlauer Berg, in einem Haus, das
es noch gab, als es die Dichterin noch nicht gegeben hat. Und
Annett Gröschner sammelt Geschichten von Kindern die ihre
unmittelbaren Erlebnisse aus der Kriegs- und Nachkriegszeit niedergeschrieben
haben. Es entsteht eine Anthologie von Aufsätzen als Ergebnis
akribischer Recherche und zugleich ein Muster an editorischer
Sorgfalt ("ich schlug meiner Mutter die brennenden Funken
ab"). Die in den Aufsätzen aufbewahrte kleinteilige,
konkrete Erinnerungen beschreiben den Alltag der Kinder und sind
subjektive Momentaufnahmen. Sie erzählen von dem ungewissen
Warten in Luftschutzkellern, dem Zusammenbruch jeglicher Ordnung
der letzten Kriegstage und die Organisierung des Alltags, die
Beschaffung des Lebensnotwendigen, berichten nach dem Ende des
Krieges von ersten Rechenaufgaben in der Schule zur Ermittlung
des Glasbedarfs für die fehlenden Scheiben im Klassenraum,
von den Anfängen neuen Lebens in den Ruinen Berlins. Festgehalten
ohne große zeitliche Distanz, sind diese Erinnerungen ein
einmaliges, weil authentisches Vermächtnis. Vergangenheit
bekommt Namen, erhält Gesichter, es sind die Gesichter,
die durch die Schilderungen der Kinder lebendig werden. Wir müssen
nur hinhören und können nicht weghören; wir müssen
hinsehen, weil wir nicht blind sind - [nach Texten von Roland Berbig, Peter Walther und Anke Westphal] |
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