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Inhalt Eberhard
Häfner
GEDICHTE
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Eberhard Häfner GEDICHTE
UND WIEDER ZEUGEN SIE AUF KRONE aufbötig
dieser larmoyance in rand & bande zwischen den
sonoren flaschen draußen
geht ein baum ausgeblendet
& die blauen zweige kentern so schliefen
wir hin & wessen darauf kam wind
warm aus'm dün miniatürlich
verliebt & gebildet kann kippnatur
gefühl anheuern scheingeladen
als einlage bei dir
JEREMIA WARNT VOR DER AUSWANDERUNG NACH Ä... da traten herzu
alle kunden fritz bricht
zusammen
WIESO SIND WIR ALS VÖGEL FREIER amen & bemen
& cemen gesagt & nicht mehr geschossen einfach
so ins jungfräuliche kraut der beute gram
& gerede um nichts so leicht bist
du bei stimme solo vogelperspektivisch
beide geradewohlen später
liegt's rohr freigiebig in reichweite
NO WOMEN NO CRY NO CORNFLAKES es ist zu spät
um gute nacht zu sagen
SCHUNKELN ALLE AUF DER SCHOLLE zeigt sich's
seitenweise eingebrochen ob ich auf'm
bauch liege oder 'n schlauch halte er war kein
muskelprotz prost besatzung
daß mir keiner überläuft ihm zittert
noch die weiß-nicht-was wer's erschwert
hat schatzinsulin
intus gehabt
SUITE odins diener
manifestet flotten vierer
ganz & gar in sex bebadet sein liebchen
lag im gras & er im stoff oh tanzt apokalypso
genüßlich darf er erinnern
wie's war äußern ora et labora
neutral gewagt mörder
im märzen sein herz bestellt (aus KONTEXT 2, April 1988)
Jayne-Ann Igel TEXTE
DAS GESCHLECHT DER HÄUSER GEBAR MIR FREMDE ORTE häuser,
deren stimmen in mir währen, als habe ich in ein offenes
grab gesehn, so voll schwerer luft, entzündet von den gasen,
die wir ausatmen, der hausrat auf den dachböden bedeckt
sich mit der schweißschicht unbewegter jahre, und rost
nistet in den kellern, den gedächtnisstätten, gleich
nie berührte ich deinen grund, umhegtes haus, nie flüchtete ich deinen schatten, die über mir sind mit ihren balkonen aus blauem wasser, umfangen von der salpeterhand, ich seh deine fenster ermüden, sich ringe bilden unter ihren lidern, und immer suchst du mich heim, unterwegs, mittels deiner vielfingrigen schatten, mittels der scharfschützen sonnenlichts von versteckten luken her; worte aus ziegel umgeben mich, in ihnen währt der ton von jahrhunderten, den ich mit fingerkuppen erkundete, unsere häuser sind höhlen, in den freien raum getrieben, doch deren zinnen sind die zinnen von zitadellen, stumme portiers bewachen die portäle, deren mund mich nie empfing
wer mag mir heimstatt geben, wenn ich ermüdet bin, in wessen schoß von händen leg ich meinen kopf, und höre die eine große stille, die aus dem inneren der mutter dringt die der stille des spieles gleicht, da erdkrumen wie käfer sich auf meinen handteller bewegten, angefeuchtet vom lippenpaar eines trunkenen himmels, der mit seiner last die zweige der büsche knickte unter denen wir wachten & schwiegen; wir mündeten in einen raum, aus dem rattern der züge geschaffen, das von bahndämmen herüberklang, die ich nie zu gesicht bekam so oft ich auch dem signal der lokomotiven folgte, über die einfriedungen der gärten hinweg, und die siegel des himmels brachen, sprachen das erlösende wort, doch dann währte nur das rauschen deseigenen blutes im ohrin die herde getrieben war ich, wie leicht dünkte mir der anstaltskittel, den ich trug, gezeichnet mit den malen vom ausfluss der nacht in die herde getrieben war ich einer der ihren, von den hütern auserwählt einer der ihren mit meinen angstgesichten, schaum vor dem mund der in blasen explodierte; der herren opfertier schlug um sich, nur ohnmacht galt es zu erringen mit spielen, die in die leere des tages griffen und jeder kämpfte gegen sich selbst um den inneren feind, beobachtet unter dem mikroskop der spione, gestalten harrten unserer regungen im schatten des hauses, in das ich mit meinen trieben hineingewachsen war; das kathedralgebirg vor dem fenster, jene ausgeburt erlittener pein, versank wenn ich mich legte, das weiss der wände flackerte blakte erlosch, sonntag in den zellen
ich folgte dem
lauf des flusses, seinen schwarzen wassern,
das geschlecht der häuser gebar mir fremde orte, und ich schlich an den pforten vorbei, hoffend, dass sich deren mund nicht öffnete ich schaute durch die fenster in wohnstätten hinter glas, räume begannen sich zu regen unter den berührungen der lippen meines augenpaars wie oft begehrte
ich nächstens die archen voller licht, in die ich wie in
eine ferne zeit sah, die nur in abbildungen überliefert
ist in die kein ton drang, getränkt von den trüben wassern laternenlichts, und ich erwachte, wenn dunkel aus den fensterhöhlen rann
NACHT - KONSTITUTION EINES THEMAS ich sah die Nacht in der Mundhöhle meiner Mutter verborgen, wenn wir sie beim Schlafen beobachteten, sie schlief offenen Mundes & ich schaute in die Finsternis, die nach & nach von ihrem Körper Besitz ergriffen hatte während der Mittagsstunden, und ich erfuhr diese Nacht, es war nicht die Nacht verdunkelter Zimmer Eisenbahntunnel Kinos, die hier aufging, es war die Nacht, die in den Körpern der Menschen Dinge währt & waltet, in die ein Mensch sich zurückziehen mag, mit sich allein und ich seh die bierholenden Knaben durch die Siedlung zum Gasthaus ziehen, Krüge werden abgefüllt & weitergereicht, die Knaben bilden die Kette zur Nacht der Eltern, zur Finsternis, die in deren Kehlen gerinnt; Sprache anderntags vergessener Versöhnung, Sprache kurz vor Zwölf, fahriger werdende Gesten, den Leichnam dieses Abends für sich zu retten, und in Alpdrücken rücken immer näher die Wände des Gevierts, ich seh die Gläser in der Küche mit dem Abdruck von Lippen, Reste farbiger Flüssigkeiten noch auf deren Grunde, und die Laute scheinen noch in ihnen, die unter die Decke eines kindlichen Schlafes drangen, Spuren eines Ascheregens, niedergegangen im Raum zwischen den Worten, und die Kinder sind unsere Vorfahren, sie sprechen einen in mir begonnenen Satz weiter, sie sprechen meine Kindheit, sprechen mich in ihrem Sterben, sie treffen mich in ihren Anfängen, kennen das Kind in mir, das ich einst war; die Kinder wissen um ihre Schatten, die sie nach den Dingen ausstrecken, vor dem Überfahren retten, sie ertasten die Augäpfel der Laternen im Schlaf, die Schläfen Nasenflügel ferner Planeten, die sie tags nachmodellieren, wir verfolgen sie in ihrem Erkundigungsgang, belauschen die im Traume sprechenden Münder von den Mundwinkeln lösen sich Blumen aus Schaum beim Sprechen, wir sind unvergänglich in unserem Sterben wie diese Blume, zwischen die Grabplatten der Biertische gesät, unvergänglich sind wir in unserem Sprechen, sprechen wir uns selbst & die Gesichte, die wir haben, spüren wir den Atem anderer Lebewesen & lassen ihn sprechen, es sind nicht der Wein das Bier der Schnaps, es sind die Überblicke, die Vor & Nachreden, die uns sprachlos machen, Heere von Stammtischadvokaten, die die Worte beim Bier bestimmen & kursieren lassen, und die Trunkenen unter der Kneipenampel warten auf ihre Bahn, vereidigen jene, denen sie ihre Geschichte erzählten ich lausche den Gestalten Geräuschen von Nacht, es ist die menschgemachte Nacht von Presslufthämmern Sprachen, den Schritten des Nachtmar, die in meine Räume einzieht, es ist die Nacht des Schweigens der Gräser Sterne, der Geburt einer neuen Sonne aus dem Mutterschoss Erde, ihrer Feier, und die Nacht erweitert meine Räume durch Traum
DER GEZAEHMTE. EIN SELBSTGESICHT die kinder bildeten eine gasse, wenn der als irr geltende knabe, den die familie des ortes beim hause hielt, auf dem teerwege der siedlung ging, sich in augenblicken verschenkend, wenn er von seinem jähzorn abgelassen hatte & die angstgesichte hinter einem fächer aus lächeln verbarg; dort lief der bedauernswerte spross seines geschlechts wer so lief, auf krummen beinen, die knie im stumpfen winkel, die schuhspitzen einander zugewandt, lief über dem onkel sich selbst in die quere, wer so lief wie er, lief nicht rund & also geradewegs in die nahe anstalt hinein, in der man gestalten beobachtet hatte, kurioseste bewegungen blicke aus den fenstern längs der gasse hielten ihn auf der mitte des weges, der seiner harrte mit den ausgeburten des rinnsteins, die er zur pein des läufers hervorgebracht; der gezähmte beschleunigte den schritt, stolperte, hielt inne, flüchtete in die höhlungen des buschwerks hinein, er liebte die stillen umwege...
DER ZOEGLING war ich endgültig gefangen, als ich ihre sprache lernte, meine stimme ein vogellaut, der mich ihnen bewahrte; sie hielten mich am hause gleich dem rebstock, dessen triebe sie beschnitten, dass er die zimmer nicht verdunkele und dicht bei der mauer des hauses spielte ich, unterm lichte trocknender laken, die finger durchlöcherten den putz, nicht missen mochte ich den leibhaftigen klang meines namens, der nach urin roch; die meinen namen in ihrem munde führten, hielten mich mit den zähnen fest am genick
sie ragten gleich gewächsen aus den fensterhöhlen längs der strasse, den hölzernen kreuzen verwachsen, ich gewahrte immer zu spät die sich herabbeugenden leiber, die mit ihren zungen von meinen lippen das lied nahmen, in dem ich, ihrer ansichtig geworden, jäh verstummte, die mich befangen sahen im gebahren meines körpers, den ich vergessen hatte sie beugten sich herab oder verharrten unbewegt hinter dem glase der pupillen, sie lauschten meinen regungen, denn ich war ihnen ein mund, der sich vor ihnen verschlossen hatte; ich wagte nicht, ihr gedächtnis anzutasten durch eine das geschehen unwirklich machende gebärde, nie wagte ich, das gesicht vor ihnen zu verhüllen, in mir währte die furcht, sie könnten auch meine scham entdecken unerreichbar meinen fingerkuppen erschienen mir die leiber der statuen, hochdroben, deren substanzen ich nicht kannte, ich lobte ihre verschwiegenheit, die mich gewähren liess, ich liebte die steifheit der glieder; nie hatten ihre lippen die feuchte der zunge gespürt, nie die feuchte anderer lippen, die krume erde im mund (aus KONTEXT 6, Juli 1989) |
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